Obligatorischer Sexualunterricht ist illegal
Von Dominik Müggler, Arlesheim
Ende Juni 2013 soll das «Kompetenzzentrum für Sexualpädagogik und Schule» an der PHZ in Luzern geschlossen werden. Es war angetreten, für alle Kantone die Grundlagen für die Einführung von obligatorischem Sexualunterricht ab Kindergarten zu schaffen. Doch mit der Schliessung dieses Zentrums ist die Frage des obligatorischen Sexualunterrichts nicht vom Tisch.
Im Kanton Basel-Stadt entscheidet demnächst das oberste Gericht über die Weiterführung dieses Sexualunterrichts. Und wenn es nach dem Willen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und seinem «Nationalen Programm HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten 2011-2017» geht, soll es in Zukunft nicht mehr zulässig sein, Kinder vom Sexualunterricht zu dispensieren.
Obligatorischer Sexualunterricht ab Kindergarten sieht am Beispiel von Basel-Stadt folgendermassen aus: Kinder ab vier Jahren sollen lernen müssen, a) dass es zur Entstehung eines Kindes Mann und Frau braucht, b) wie die Geschlechtsorgane funktionieren, c) dass Berührungen an Körperstellen angenehm sein können und d) was die Begriffe «heterosexuell», «homosexuell», «lesbisch», «schwul» und «bisexuell» bedeuten. Zwei Jahre später, ab der ersten Primarklasse, sollen Kenntnisse hinzukommen über e) den Zeugungsvorgang, f) Verhütungsmittel und g) die Frage, ob Sexualität nur zur Fortpflanzung oder auch aus Lust und Liebe praktiziert wird.
Protest gegen Sexualunterricht
Der Basler Sexualunterricht stützt sich auf die Vorgaben des nun schliessenden Luzerner Kompetenzzentrums. Im Sommer 2011 hat er zudem mit fragwürdigem Unterrichtsmaterial in sogenannten «Sexboxen» Schlagzeilen gemacht. 22 Eltern haben sich gegen diesen Unterricht zur Wehr gesetzt und Dispensationsgesuche für ihre Kinder im Alter von vier bis acht Jahren eingereicht. Alle diese Gesuche wurden von der Regierung abgelehnt oder sistiert. Zwei Elternpaare haben den Rechtsweg eingeschlagen und stehen nun vor dem obersten Basler Gericht, dem Appellationsgericht. Ihre Chancen auf Erfolg sind gut, denn der Basler Sexualunterricht entbehrt einer formellen gesetzlichen Grundlage und ist somit verfassungs- und rechtswidrig.
Obligatorischer Sexualunterricht verletzt die Grundrechte von Kindern und Eltern:
- das Recht auf persönliche Freiheit des Kindes (Artikel 10 Absatz 2 BV). Es ist das Recht einer jeden Person, sich nicht mit sexuellen Fragestellungen auseinandersetzen zu müssen.
- den Schutz des Privat- und Familienlebens des Kindes und der Eltern (Artikel 13 Absatz 1 BV). Die Sexualität gehört dem Intim- und Privatbereich eines jeden Menschen an.
Die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Artikel 15 Absatz 1 BV) steht nicht im Vordergrund, wie bei den bekannten Schwimmunterrichts- oder Kruzifixfällen. Hier geht es vielmehr um den Schutz der Kinder sowie des Privat- und Familienlebens.
Einschränkungen von Grundrechten sind unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (Artikel 36 BV):
- Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (schwerwiegende Einschränkungen müssen sogar im Gesetz selbst vorgesehen sein).
- Sie müssen durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein.
- Sie müssen verhältnismässig sein.
- Sie dürfen den Kerngehalt der Grundrechte nicht antasten.
Obligatorischer Sexualunterricht ist zulässig, wenn diese Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Das ist derzeit in keinem Kanton der Schweiz der Fall:
- In keinem Kanton besteht eine Regelung im Sinne eines formellen Gesetzes. Sogenannte «Leitfäden» oder «Handreichungen» für die Lehrpersonen stellen nur Verwaltungsverordnungen dar und vermögen Grundrechtseingriffe von dieser Tragweite nicht zu legitimieren.
- Ein öffentliches Interesse wurde bisher nie nachgewiesen. Es wurden keine Nutzen- und Risikoanalysen eines solchen Unterrichts erstellt.
- Die Verhältnismässigkeit des Sexualunterrichts ist ebenfalls nicht gegeben, da im Alter von vier bis acht Jahren keine Gefahr besteht, Krankheiten sexuell zu übertragen.
- Obligatorischer Sexualunterricht im Kindergarten und in der Primarschule würde den Kerngehalt der besagten Grundrechte infrage stellen.
Spannung vor Urteil
Man darf also mit Spannung das Urteil des Basler Appellationsgerichts erwarten, welches nach den Sommerferien ergehen wird. Inzwischen empfehlen wir die Unterstützung der Eidgenössischen Volksinitiative «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule». Diese will den obligatorischen Sexualunterricht aus den Schweizer Kindergärten und Primarschulen verbannen und sieht auch für die Oberstufe deutliche Verbesserungen vor.
Dominik Müggler
Der Autor ist Staatswissenschafter (lic.rer.publ.HSG) und Präsident der Schweizerischen Hilfe fiir Mutter und Kind (SHMK) und des Vereins Mamma.
Unterschriftenbogen
Der heutigen Ausgabe der «Schweizerzeit» liegt ein Unterschriftenbogen zur Eidgenössischen Volksinitiative «Schutz gegen Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule» vor. Bitte unterschreiben Sie ihn und lassen Sie ihn auch
durch Verwandte und Bekannte unterzeichnen. Herzlichen Dank dafür. Bitte Bogen rasch einsenden. Weitere Bogen sind herunterzuladen unter: www.schutzinitiative.ch. (dm)